Tortour

1026 Kilometer und 12'500 Höhenmeter. Diese Zahlen beinhalten genug Stoff für einen ausführlichen Rennbericht. Die Frage stellt sich nur, wo beginne ich überhaupt! Es war nun ein Jahr her seit meinem doppelten Bandscheibenvorfall. Monatelang sahen mich damals meine Rennräder nur, wenn ich etwas aus dem Keller holen musste. Ich weiss auch nicht wie viele aus meinem Umfeld überhaupt daran glaubten, dass ein Start bei einer solchen Ultraprüfung nochmals möglich wäre. Auch ich zweifelte immer wieder, erlebte ich doch Mitte Juli wieder einen derben Rückschlag. Dass ich dann an der Tortour über die gesamte Strecke meinen Rücken nicht ein einziges Mal spürte, ist mein ganz persönlicher Sieg und nährt meine Ideen von Projekten grössere Dimension... Aber nun zum Rennen. Am Donnerstag fand der Prolog über 1 Kilometer statt. Mein 5. Platz war nicht sonderlich schlecht, aber auch nicht gerade berauschend, aber für ein Rennen über 1000 Km wohl auch nicht rennentscheidend. Die Zeit bis zum Start kurz nach Mitternacht verbrachte ich dösend im Hotelzimmer, doch drehten sich meine Gedanken grösstenteils bereits um das Rennen. Ich war unendlich froh, als ich endlich starten durfte.  Meine Taktik war sehr simpel, ich fuhr schlicht meine Wattvorgaben und wollte mich durch keine Mitbewerber irritieren lassen. So fiel ich ziemlich rasch vom 5. bis auf den 15. Rang zurück. Ich staunte ab dem Tempo gewisser Fahrer und fragte mich, ob diese Chur als Ziel des Rennens ansteuerten... Nach Chur fing dann mit den Alpenpässen mein bevorzugtes Gebiet an. Endlich konnte ich meine Trümpfe ausspielen; in der Fläche hatte ich mit dem normalen Rad trotz Aufsatz doch gewisse Nachteile gegenüber den reinen Zeitfahrmaschinen, doch stellte sich diese Wahl durch meine Rückengeschichte schon gar nicht. Nach Chur begann es auch zu schütten, wurde bitterkalt und mir liefs immer besser. Nach Oberalp, Furka und Grimsel lag ich bereits an 3. Stelle. So durfte es gerne weitergehen. Leider stoppten mich ganz üble Blähungen rapide. Ich kämpfte mich mit Müh und Not noch in die Timestation nach Interlaken, dort war dann fertig lustig. Meine Gedanken voller negativen Gefühle, bitter enttäuscht und mein Bauch platzte fast. Ich konnte nicht mehr anders als mich hinlegen und wartete nur noch auf Marcs Anweisung zusammenzupacken und nach Hause zu fahren. Doch Marc und meine Schwester Barbara massierten stattdessen Rücken und Bauchregion und etwas mehr als eine Stunde später fühlte ich mich wieder pudelwohl, setzte mich aufs Rad und auf gings. Im Simmental zählte dann auch noch Petrus zu meinen Verbündeten, er öffnete alle Schleusen und da wusste ich, auch wenn ich weit zurücklag, war noch sehr viel zu gewinnen, schliesslich lagen noch 600 Km vor mir! Es goss aus Kübeln, doch mir gefiels einfach nur noch. Dazu beflügelte mich der Gedanke, dass in Bulle meine Freundin zum Betreuungsteam dazustossen wird. Ich machte Rang um Rang gut, im Aufstieg zum Col des Mosses genoss ich die herrliche Abendstimmung und stach in rasantem Tempo ins Rhonetal. Es lief wie am Schnürchen und kurz darauf lag ich bereits an 4. Stelle und mein Lieblingsteil der Tortour kam ja erst. Nach Morges waren bereits 600 Km zurückgelegt und ich genoss das Fahren in der Dunkelheit in vollen Zügen. Oftmals fuhr mein Team einige Kilometer voraus, um etwas vorzubereiten und liess mich während dieser Zeit die Nachtfahrt alleine geniessen. Im Aufstieg zum Vallée de Joux war dann mein 3. Rang wieder Tatsache. Nun war ich erst recht beflügelt, zudem wartete in der Timestation von Yverdon mit Christoph Fuhrbach (24 Höhenmeterweltrekordhalter mit dem Rad) ein Kollege auf mich. Von Yverdon gings in Richtung der Jura Freibergen, meine absolute Lieblingsgegend zum Trainieren. Ich kannte jeden Meter und freute mich auf jeden. Auch nach 800 Km liefen meine Beine hervorragend, so flog ich danach auch in meiner Heimat den Passwang und die restlichen Berge nur so rauf. Einen grossen Anteil daran hatten auch Freunde und Bekannte, die mich an jeglichen Orten lautstark unterstützten. Ein unvergessliches Erlebnis, herzlichen Dank! Dank Rückenwind rollte ich zügig nach Glattfelden zur letzten Timestation. Von dort bis nach Schaffhausen sollte es nur noch ein Katzensprung sein, vor allem bei diesen Beinen. Ich konnte die letzten Kilometer richtig geniessen, machte einige Spässe mit der Filmcrew, welche mich dort begleitete und war mit den Gedanken bereits bei der Siegerehrung. Die Silbermedaille der Schweizermeisterschaft um den Hals tragend, ein wunderschöner Gedanke und vor allem dies mit meinem unglaublich tollen Team zu teilen. Doch sollte alles anders kommen und sich ein altes Sprichwort bewahrheiten, dass ein Rennen erst auf der Ziellinie zu Ende ist. Im letzten Dorf vor Schaffhausen, nur noch ein Steinwurf von der Ziellinie weg, übersah mich ein Autofahrer. Ich krachte frontal in seine Seite und schlug mit Schulter und Kopf sehr heftig auf. Der Fahrzeuglenker und das direkt hinter mir fahrende Team Schweizer Holz on Tortour kümmerten sich genial um mich, ganz herzlichen Dank. Ich wollte zwar unbedingt weiterfahren, doch wurde ich immer wieder ohnmächtig. Davon weiss ich aber selber nichts mehr. Schlussendlich landete ich statt in der IWC Arena im Krankenhaus. Dank meiner Freundin war mein Frust aber ziemlich schnell verflogen und die gute Nachricht, dass ausser angerissenen Schulterbändern alles ganz blieb, war doch wertvoller als jede Medaille. Ich musste zwar noch bis Sonntagnachmittag im Spital bleiben, dank Besuch des Tortour OKs, toller Cafeteria und sehr liebenswertem Personal verging die Zeit wie im Fluge. Ein Rennen wie die Tortour braucht neben dem Trainingsaufwand auch sonst ziemlich viele Vorbereitungen, die ohne Team im Hintergrund unmöglich zu bewältigen sind. Es sind diese Personen, die im Stillen arbeiten und deren Namen nachher nicht auf der Rangliste erscheinen, auch wenn sie es mehr als verdient hätten. Dazu gehört natürlich mein Team mit meiner Schwester Barbara, Andreas Binder, Marc Rüdisühli, meiner Physiotherapeutin Melanie Rudin und natürlich meiner Freundin Daniela. Sports Chiropractor Martin Kumm und Erman Küçük leisteten geniale Arbeit während der gesamten Reha Phase, ohne sie wäre dies schon gar nie möglich gewesen. All meine Sponsoren, die mich wie Christoph Jenzer und Peter Haag bereits seit Juniorenalter unterstützen. Doch bringt dich das beste Material nicht weiter, wenn der Motor keine Leistung bringt. Da danke ich Thomas Rentsch, Diana Rast und Martin Feigenwinter. Mit ihm gestaltete ich den mentalen Fahrplan Tortour, welcher bis 5 Km vor dem Ziel aufging. :-) Als Abschluss ein grosses Merci an die gesamte Tortourorganisation inkl. Helfern für den tollen Anlass, sowie allen Fahrern und Betreuern, die mich jeweils anfeuerten und motivierten!

 

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